Symbolpolitik
Grosse Industriestaaten wollen den Import von russischem Gold verbieten. Das mag zwar gut gemeint sein, doch bringen wird es nicht viel. Das Metall wird seinen Weg auf die Weltmärkte finden.
28. Juni 2022 • Beat Schmid

Eine Bloomberg-Meldung machte letzte Woche grosse Schlagzeilen: Die Schweiz habe im Mai gemäss offiziellen Importstatistiken 3,1 Tonnen Gold aus Russland importiert. Der Aufschrei in den Medien war gross. Seither schiessen die Spekulationen ins Kraut. Schweizer Raffinerien können das Gold gekauft haben, was diese jedoch sofort dementierten. Es wurde die These aufgestellt, eine vermögende Privatperson habe das russische Gold eingeführt und im Gotthardmassiv versteckt. Die Zollbehörden haben angekündigt, der Sache nachzugehen.

Was im Getöse unterging: Beim importierten Gold handelte es sich um raffiniertes, also reines Barren-Gold. Schweizer Raffinerien als Käufer kommen also kaum infrage. Die plausibelste Erklärung ist zugleich die unspektakulärste: Möglicherweise wurde das Gold zu einem früheren Zweitpunkt gekauft, also vor den Sanktionen des Westens. Es könnte im Ausland für eine Weile zwischengelagert worden sein, bis es in die Schweiz geliefert wurde. Zum Beispiel in Grossbritannien, wo sich der grösste Goldhandelsplatz der Welt befindet und wo auch sehr viel russisches Gold gehandelt wurde, bis der Krieg ausbrach. So zumindest erklären Goldexperten die mysteriöse Fuhre in die Schweiz.

140 Prozent mehr Gold aus den USA

Der Blick auf die offiziellen Importstatistiken zeigt eine starke Veränderung der Importwege seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs. Insbesondere fällt auf, dass nach dem Wegfall von Russland vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA die Lücke füllten.

Im März 2022 wurde aus den Emiraten 36,1 Tonnen Gold importiert – so viel wie seit Anfang 2021 nicht. Auch im April wurden nochmals 20,4 Tonnen des gelben Metalls in die Schweiz eingeführt. Von Januar bis Mai des laufenden Jahres nahm der Goldimport aus den Emiraten auf 77,1 Tonnen zu, ein Plus von 77 Prozent gegenüber derselben Periode im letzten Jahr.

Auch aus den USA wurden rekordverdächtige Mengen Gold in die Schweiz importiert. Im Mai kletterten die Einfuhren auf 27,4 Tonnen – in keinem Monat seit Anfang 2021 wurde mehr Gold importiert. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres wurden insgesamt 36,2 Tonnen Gold von den USA eingeführt. 140 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum vor einem Jahr.

Was bedeuten diese Veränderungen? Das Emirat Dubai steht schon lange im Ruf, Gold von zweifelhafter Herkunft zu verarbeiten. Aus illegalen Minen aus Afrika zum Beispiel. Auch Raffinerien in den USA würden zum Teil illegales Minengold aus Lateinamerika zu handelbaren Barren verarbeiten. Etliche Raffinerien befinden sich in der Umgebung von Miami – dem bedeutendsten Finanzzentrum für Offshore-Gelder aus Mittel- und Südamerika. Gerichtsfälle belegen, dass in lokalen Raffinerien Gold aus dem Drogenhandel "reingeschmolzen" wurde.

Ausweichrouten für russisches Gold?

Mit den Sanktionen gegen Russland stellt sich die Frage, über welche Kanäle russisches Gold in den westlichen Handel kommt. Über Dubai, USA, China, Usbekistan? Viele Transportrouten sind denkbar. Die Krux am Gold ist, sobald es einen hohen Reinheitsgehalt hat, lässt sich nicht mehr feststellen, wo das Gold geschürft wurde. Da helfen auch ausgeklügelte technische Verfahren nicht weiter.

Russisches Minengold, aber auch fertige Barren können in unzähligen Raffinerien verarbeitet und umgeschmolzen werden und so als unverdächtige Ware in den Handel gelangen. Das ist vor allem in jenen Staaten möglich, die sich den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen haben wie zum Beispiel die Emirate oder China.

Deshalb bringt der Gold-Bann gegen Russland, den die G7-Staaten heute beschliessen werden, fast nichts – ausser ein bisschen Symbolik.