Ein neues Regelwerk nimmt Formen an
Nach den Klimaemissionen sollen Banken und Unternehmen neu auch ihre Wirkungen auf die Natur in die Berichterstattung einfliessen lassen. Eine neue Taskforce für die "Natur" kümmert sich darum.
1. August 2022 • red.

Die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung sei mehr oder weniger von der Natur und ihren Erzeugnissen abhängig, stellt die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) fest. Banken und Versicherungen sowie Unternehmen der Realwirtschaft könnten es sich nicht mehr leisten, die Natur in ihren Strategien und dem Risikomanagement zu ignorieren. “Die Abhängigkeit von der Natur stellt für Unternehmen und Investoren ein hohes Risiko dar, bietet aber auch Chancen”, so die TNFD.

Die Organisation hat eine erste Betaversion eines neuen Rahmenwerks vorgestellt, mit dem naturbezogene Risiko- und Chancenanalysen in den “Kern der unternehmerischen und finanziellen Entscheidungsfindung” einfliessen sollen. Nun startet eine 18-monatige Vernehmlassung, an der sich Unternehmen, Behörden und Forschende beteiligen können. TNFD hofft, den Prozess im dritten Quartal 2023 mit der Veröffentlichung von Empfehlungen abschliessen zu können.

Diese erste Betaversion des TNFD-Rahmens besteht aus drei Elementen:

- Grundlegende Leitlinien, einschliesslich wichtiger wissenschaftlich fundierter Konzepte und Definitionen, die einem breiten Spektrum von Marktteilnehmern helfen sollen, die Natur und naturbezogene Risiken und Chancen zu verstehen;

- Empfehlungen zur Offenlegung, die mit dem Ansatz und der Sprache der von der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) entwickelten klimabezogenen Leitlinien übereinstimmen;

- Praktische Leitlinien zur Analyse naturbezogener Risiken und Chancen für Unternehmen und Finanzinstitute, die in ihre Risiko- und Portfoliomanagementprozesse integriert werden können.

Klima- und naturbezogene Risiken sollen angeglichen werden

Die Offenlegungsempfehlungen der TNFD sollen auf der Arbeit der TCFD aufbauen. Es sollen dieselben Prinzipien zur Anwendung kommen und die übergeordneten Offenlegungsempfehlungen so weit wie möglich aufeinander abgestimmt werden.

Damit reagiert die TNFD auf Forderungen von Unternehmen, einen möglichst einheitlichen Ansatz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verfolgen. Die TNFD hoffe, dass dies mit einer starken Angleichung von klima- und naturbezogenen Risiken erreicht werden könne.

Das Beta-Rahmenwerk soll mit der Richtline des International Sustainability Standards Board (ISSB) kompatibel sein. Es bietet gleichzeitig Flexibilität für jene Institutionen, die nach unterschiedlichen Schwellenwerten und regulatorischen Anforderungen berichten. Die TNFD steht im Dialog mit einer Reihe von Normungsgremien und Regulierungsbehörden.

Schweiz unterstützt die TNFD finanziell

Der TNFD haben sich über 300 Firmen und Organisationen aus 180 Ländern angeschlossen, die zusammen ein Vermögen von 18 Billionen Dollar verwalten. Aus der Schweiz gehören unter anderem die Credit Suisse, Nestlé, Swisscanto, Swiss Re und UBS dazu. Die offizielle Schweiz ist eines der Länder, welche die Arbeit der TNFD finanziell unterstützt.

Auf dem Finanzplatz ist das Thema bereits angekommen. “Biodiversität wird ein sehr dominantes Thema werden”, sagte Jörg Gasser, der Chef der Bankiervereinigung an der Jahres-Medienkonferenz.

In der Woche vom 1. bis 5. August publiziert Tippinpoint eine Serie von Beiträgen, die auf besonders grosses Interesse gestossen sind. Der vorliegende Artikel erschien ursprünglich am 15. März 2022.

TCFD und ISSB
Task Force on Climate-related Financial Disclosures
Die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), ist eine im Dezember 2015 gestartete Initiative des Financial Stability Board (FSB), einem Gremium, das sich um die internationale Finanzstabilität kümmert und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angeschlossen ist. Der Zweck der TCFD ist es, «dabei zu helfen, die Informationen zu identifizieren, die von Investoren, Kreditgebern und Versicherungsunternehmen benötigt werden, um klimabezogene Risiken und Chancen angemessen zu beurteilen und zu bewerten.» Die Empfehlungen der TCFD wurden 2017 veröffentlicht.

International Sustainability Standards Board
Das International Sustainability Standards Board (ISSB) wurde im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Glasgow auf Initiative der IFRS Foundation, einer Stiftung für Buchhaltungsnormen, gegründet. Das Ziel des ISSB ist es, transparente und vergleichbare Berichterstattung von Unternehmen zu Klima- und anderen Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) zu ermöglichen. Das Board soll weltweit verbindliche nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsstandards schaffen.