Sustainability
Der europäische Asset-Management-Verband verglich die Ratings von Morningstar und Refinitiv. Das Resultat ist ernüchternd: Es gebe zwar eine positive Korrelation, doch diese sei “recht klein”.
14. Oktober 2022 • Beat Schmid

In der Asset-Management-Branche sind Wehklagen verbreitet über Rating-Anbieter, die ein nachhaltig deklariertes Finanzprodukt völlig unterschiedlich bewerten. Der europäische Dachverband der Asset-Management-Industrie, die European Fund and Asset Management Association (EFAMA), ging der Sache nach und untersuchte in einer Studie die Ratings von Refinitiv und Morningstar.

Dabei verglich der Verband die Ratings von Fonds, die nach Artikel 8 und 9 der sogenannten EU-Taxonomie eingeteilt sind. Im Bankenjargon spricht man von “hellgrünen” beziehungsweise “dunkelgrünen” Fonds.

Der Hintergrund ist, dass Finanzberater in der EU seit diesem August verpflichtet sind, die Nachhaltigkeitspräferenzen von ihren Kunden nachzufragen. Die Berater brauchen deshalb Filtermöglichkeiten, um die Fonds herauszufischen, die den Vorstellungen der Kunden entsprechen. Hier kommen Ratinganbieter ins Spiel. Die EFAMA geht davon aus, der Markt für Ratings, dass der jetzt schon einigermassen unübersichtlich ist, noch weiter anwachsen wird.

Völlig unterschiedliche Methoden

Die Ausgangslage: Refinitiv hat 9315 ESG-gekennzeichnete Fonds mit einem Gesamtnettoinventarwert von 4,3 Billionen Euro mit ESG-Scores versehen. Etwa 70 Prozent dieser Fonds sind entweder Artikel 8- oder Artikel 9-Fonds. Der Rest ist von Refinitiv noch nicht klassifiziert. Morningstar erfasst deutlich weniger Fonds: Es sind 6250 Artikel-8- und Artikel-9-Fonds mit einem Gesamtnettoinventarwert von 3,3 Billionen Euro.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Ratinganbieter die Fonds mit ihren eigenen Methoden bewerten. Diese unterscheiden sich zum Teil sehr stark. Die Studienautoren der EFAMA wollten nun herausfinden, ob sich trotz der Unterschiede bei den Methoden Gemeinsamkeiten zwischen Ratings finden lassen, ob ein Fonds mit einem hohen ESG-Rating von Refinitiv auch ein entsprechendes hohes Rating von Morningstar bekommt.

“Recht geringe Korrelation”

Insgesamt hat die EFAMA die Ratings von 1500 Fonds verglichen. Dabei haben die Autoren festgestellt, dass zwar eine positive Korrelation zwischen den verschiedenen Ratings bestehe – “diese Korrelation jedoch recht gering” sei. Es zeige sich, dass viele Fonds mit einem sehr niedrigen Refinitiv-Score einen hohen Morningstar-Score haben und umgekehrt.

Dies sei nicht allzu überraschend, da die Agenturen das ESG-Rating eines Fonds auf ihre eigenen Methoden abstützen, die wenig mit der SFDR-Klassifizierung zu tun hätten, heisst es in der Studie. Ausserdem definiert die SFDR übergeordnete Grundsätze, die “einen gewissen Spielraum” für eine Vielzahl von Ansätzen zulasse.

SFDR steht für Sustainable Finance Disclosure Regulation und soll die Transparenz darüber erhöhen, wie Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Investmententscheidungen integrieren. Es handelt sich um eine Offenlegungsverordnung, die von der EU erlassen wurde.

“Übermassig hohe Gebühren”

Die EFAMA schliesst draus, dass die Fondsmanager aufgefordert seien, ihre Fonds nach ihren eigenen Ansätzen zu klassifizieren und dann offenzulegen, um welche Ansätze es sich dabei handelt. Ganz allgemein heisst das, dass “Ratings mit Vorsicht verwendet werden sollten”, da eine “gute” Bewertung eines Anbieters nicht unbedingt eine ähnlich gute Bewertung durch eine anderen bedeutet.

Trotz dieser einigermassen ungeniessbaren Rating-Suppe anerkennt die EFAMA, dass ESG-Ratings den Anlegern bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Fonds helfen können. Einen kritischen Punkt setzt der Verband beim Preisschild: Es sei von entscheidender Bedeutung, einen wettbewerbsfähigen Markt für ESG-Ratings zu schaffen, der verhindert, dass wenige grosse Anbieter “übermässig hohe Gebühren für ihre Dienstleistungen” kassieren können. Die EFAMA sieht dabei auch die Aufsichtsbehörden in der Pflicht.