Portfoliomanager auf dem Absprung
Weil ein spezielles Retention-Programm ausläuft, dürfte es beim krisengeschüttelten Asset-Manager zu Abgängen von Portfoliomanagern kommen. Zudem bereitet eine neue Softwareplattform Ärger.
31. August 2022 • Beat Schmid

Nächsten Monat erhalten wichtige Portfoliomanager von GAM die letzte Ausschüttung aus einem speziellen Bonusprogramm, das im Jahr 2018 für sie eingerichtet wurde. Der damalige Chef Alex Friedman griff zu diesem Mittel, um die Mitarbeiter bei der Stange zu halten und sie von einem Wechsel zu einem Konkurrenten abzuhalten.

Es funktionierte. Die meisten blieben. Hintergrund ist ein Skandal, der den Zürcher Asset-Manager 2018 erschütterte: Der Star-Portfoliomanager Tim Haywood hatte zusammen mit dem Financier Lex Greensill grosse Positionen beim Stahlmagnaten Sanjeev Gupta aufgebaut. Dabei ging es um die gleiche Art von undurchsichtigen Finanzgeschäften, die später auch die Credit Suisse in grosse Schwierigkeiten brachte.

Interne Untersuchungen ergaben, dass Haywood mehrfach den Privatjet von Greensill nutzen durfte und zu einem Konzert in den Buckingham Palace eingeladen wurde. Tim Haywood wurde im Sommer 2018 gefeuert. Seine Fonds mussten liquidiert werden, Kunden zogen Gelder ab. Ein Jahr später gab GAM bekannt, dass ihr früherer Starmanager wegen “groben Fehlverhaltens” entlassen wurde.

Später gab es eine Millionenbusse

Der Skandal um Haywood und Greensill erhöhte den Druck auf den damaligen CEO Alex Friedman. Ende 2018 wurde er so gross, dass der Verwaltungsrat von GAM und Friedman zu Schluss gekommen waren, dass für den Asset-Manager am besten sei, den nächsten Entwicklungsschritt des Unternehmens unter neuer Führung anzugehen, wie es damals in einer Medienmitteilung hiess. Friedman trat am sechsten November zurück.

Kurz darauf wurde der ganze Schaden erst öffentlich: Wegen der Wirren um Haywood kam es bei GAM im Jahr 2018 zu einem Abfluss der verwalteten Vermögen von 28 Milliarden Franken. Davon gingen allein 11 Milliarden Franken auf die Absolute-Return-Bond-Strategie zurück, die Haywood verantwortete.

Die Sache wurden zu einem Fall für die Finanzaufsicht. Ende 2021 verknurrte die britische FCA das Fondshaus zu einer Zahlung von 9,1 Millionen britischen Pfund. Tim Haywood wurde mit einer Busse von 230’000 Pfund belegt. Er wollte sich zunächst dagegen wehren, doch er liess die Klage fallen.

Alex Friedman schnürte das Paket im Herbst 2018

Es muss im Herbst 2018 gewesen sein, als Alex Friedman für seine besten Portfoliomanager ein spezielles Retention-Paket schnürte. Das Programm, das über vier Jahren angelegt wurde, läuft im September 2022 aus, wie Tippinpoint von Personen erfahren hat, die mit dem Sachverhalt vertraut sind. Nächsten Monat wird also die letzte Zahlung fällig.

GAM-Insider gehen nun davon aus, dass es dann zu Kündigungen kommen wird. Die besten Leute werden gehen, sagt eine Quelle. “Ich sehe keinen Grund, warum jemand noch bleiben sollte.” Bereits im November 2018 berichtete Bloomberg von einem speziellen Bonusprogramm, um Schlüsselmitarbeiter bei Laune zu halten. Das Unternehmen nahm damals keine Stellung dazu.

Auch heute schweigt eine Sprecherin zu dem Bonusprogramm. Generell sagt sie: “Die Vergütungspakete der GAM-Portfoliomanager umfassen feste und variable Elemente und beinhalten in der Regel eine aufgeschobene Vergütung, die von Zeit zu Zeit ausgezahlt wird.”

Verwaltete Vermögen sinken auch unter neuer Führung

Der neuen Führung unter Peter Sanderson ist es bisher nicht gelungen, das Steuer bei GAM herumzureissen. Wegen eines Abschreibers auf dem Markenwert kam es im ersten Halbjahr 2022 zu einem ausserordentlichen Nettoverlust von 275 Millionen Franken. Der Verlust vor Steuern und Abschreibern betrug 15 Millionen Franken. Die verwalteten Vermögen schrumpften auf 83,2 Milliarden Franken. Ende 2021 waren es noch knapp 100 Milliarden, das Jahr zuvor 122 Milliarden. Vor der Krise Ende 2017 beliefen sich die Assets auf 158 Milliarden Franken.

Sanderson führte auch eine neue Software für das Portfoliomanagement ein. Simcorp, so heisst die Plattform, wird von Mitarbeitern als “totales Desaster” beschrieben. Im Endeffekt führe es dazu, dass PMs zu handgestrickten Excel-Lösungen zurückgreifen müssten. Es sei nur schwer nachzuvollziehen, warum Sanderson nicht auf Aladdin von Blackrock gesetzt habe. Bei Simcorp handel es sich um eine dänische Softwareanbeterin, die eine integrierte Investment-Management-Suite für die Finanzindustrie anbietet.

Die Sprecherin verteidigt den Wechsel der Portfolio-Software: “Die neue Simcorp-Plattform ist ein essenzieller Bestandteil, um das Geschäft zu vereinfachen. Die Einführung ist mehrheitlich abgeschlossen. Die damit verbundenen Vorteile der Geschäftsabwicklung werden bereits deutlich und wir erwarten weitere Effizienzsteigerungen.”

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