Silberstreifen im Kosmos?
Er ist Aktionär der ersten Stunde, er ist bestens vernetzt in der linken Szene: Unternehmer Steff Fischer hat sich um einen Sitz im Verwaltungsrat beworben. Trotzdem ist seine Wahl völlig unsicher.
24. Juni 2022 • Beat Schmid

Die Aktionäre des Kosmos haben wieder Post erhalten. Die für den 24. Juni angesetzte ausserordentliche Generalversammlung wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Es war der Plan, heute Freitag den Verwaltungsrat neu zu besetzen. “Angesichts der kurzen Zeit, ist es uns nicht gelungen, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden”, schreibt Übergangsverwaltungsrätin Alexandra Steinegger in dem Brief.

Wobei das nicht ganz richtig ist. Eine Kandidatur ging sehr wohl ein. Sie wird auch im Brief erwähnt und stammt von Steff Fischer, ehemaliger Immobilienunternehmer und Kosmos-Aktionär der ersten Stunde. Doch für eine “nachhaltige und stabile” Unternehmensentwicklung sei “derzeit” ein Verwaltungsrat von drei bis fünf Personen “erforderlich”, schreibt Steinegger. Die ausserordentliche Generalversammlung sei somit “nicht zielführend” und werde auf einen “späteren Zeitpunkt” verschoben. Es werde “so rasch als möglich” über einen neuen Termin informiert.

Interessant ist, dass Filmemacher Samir in dem Schreiben nicht erwähnt wird. Er und sein Umfeld hatten im Vorfeld der ordentlichen Generalversammlung ultimativ einen Sitz im Verwaltungsrat gefordert. Inzwischen scheint er seine Ambitionen begraben zu haben.

Altmarxist und Selfmade-Millionär

Fischer gehört zu den ersten Aktionären des Kosmos. Er ist auch mit den meisten Gründern befreundet, mit Bruno Deckert, der inzwischen alle Aktien verkauft hat, aber auch mit Samir und seiner Frau Stina Werenfels. Er gehörte der Zürcher Bewegung in den 1980er Jahren an und nahm an bekannten Hausbesetzungen teil. Später stieg er mit einer eigenen Firma professionell ins Immobiliengeschäft ein. Er blieb jedoch der alternativen Szene verbunden und lebte bis vor wenigen Jahren im Grosshaushalt der Genossenschaft Karthago, die er aufbaute. “Steff Fischer provoziert wie ein Künstler, rechnet wie ein Buchhalter und lebt wie ein Student”, schrieb der Tages-Anzeiger in einem Portrait.

Im Unterschied zu den meisten Kosmos-Aktionären ist er aber kein sogenannter “Erb-Linker”, sondern ein Unternehmer, der seine Millionen selbst verdient hat. Die Wortschöpfung Erb-Linke kreierte Fischer in der Zeit des zweiten Kosmos-Streits im Jahr 2020, als Linke aus dem Kultur-Establishment ein angeblich rechtes Lager aus dem Kosmos putschten.

Das Problem des Kulturhauses sei, dass es wie ein NGO geführt werde, sagt Fischer im Gespräch. Doch es sei nie die Idee gewesen, ständig auf Kapitalerhöhungen, Rangrücktritterklärungen und Mietzinserlasse angewiesen zu sein. “Das Kosmos soll als eigenfinanzierte und unabhängige Kulturinstitution funktionieren.” Er habe auch kein Problem mit Aktiengesellschaften, die einen Gewinn abwerfen. Wenn am Schluss eine Dividende herausschaue, sei das umso besser, sagt Fischer, der einst Marxist war.

Ein Verwaltungsrat mit einem wechselnden Präsidium

Der Standort des Kosmos sei “genial”, daraus müsse man zwingend mehr machen. Fischer war einer der Ideengeber der Europaallee, wo sich auch das Kosmos befindet. Weil der Kulturbetrieb aber allein nicht kostendeckend geführt werden könne, brauche es Bereiche, die gut rentieren. Deshalb müsse die Gastronomie gestärkt und die Räumlichkeiten wieder vermehrt für Firmenevents vermietet werden.

Er allein könne das aber nicht, sagt Fischer. Er sieht sich als Teamplayer in einem Verwaltungsrat von vier Personen. Sein Vorschlag: Je ein Mitglied kümmert sich für Gastro, Kultur und Finanzen; er deckt das Unternehmerische ab. Das Präsidium würde jedes Jahr wechseln. Er habe auch Namen im Kopf, doch die will er noch nicht öffentlich machen.

Ob Steff Fischer in den Verwaltungsrat gewählt wird, hängt eigentlich nur von einer Person ab – von Grossaktionär François Chappuis. Der Kinderpsychologe hat in den letzten Wochen und Monaten die Mehrheit der Aktien im Kosmos zusammengekauft. Chappuis ist für viele Kosmos-Engagierte ein Phantom. Niemand weiss, was er vorhat und auf welcher Seite er steht. Obwohl er von seiner Kandidatur wisse, habe Chappuis ihn noch nicht kontaktiert, sagt Fischer.

Pensionierter Savoy-Hotelier führt das Kosmos im Teilzeitmandat

Dabei wäre es jetzt höchste Zeit für klare Ansagen. Der Betrieb befindet sich seit dem Abgang des alten Verwaltungsrats in einer akuten Führungskrise. Der Geschäftsführer wurde nach der Generalversammlung freigestellt. Seither führt ein pensionierter Hotelier des Zürcher Savoy die Geschäfte im Teilzeitmandat – während 12 Stunden pro Woche.

Warum es dem Verwaltungsrat bis heute nicht gelungen ist, neben Steff Fischer zwei, drei weitere valable Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, ist nur schwer nachzuvollziehen, immerhin hatte er zwei Monate Zeit. Die interimistische Verwaltungsratspräsidentin Alexandra Steinegger möchte sich auf Anfrage nicht zum Suchprozess äussern. “Wir sind am arbeiten. Sobald es nennenswerte News gibt, informieren wir.” Ob sie im obersten Leitungsgremium bleiben wolle, lässt sie offen.

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