Verwaltungsratssitzung
Der Verwaltungsrat der Credit Suisse bereitet sich im berühmten Kurhotel für den Investor Day vor. Kommt es zum “Bold Move”, den sich so viele wünschen?
22. Juni 2022 • Beat Schmid

Die CS-Spitze geht in ein Kurhotel – genau da gehört die schwerkranke Bank auch hin, könnte man jetzt kalauern. Doch für Witze ist nicht die Zeit. An ihrem traditionellen “Offsite” nimmt der Verwaltungsrat die Weichenstellungen vor, die CEO Thomas Gottstein am Investorentag nächsten Dienstag in London präsentieren wird.

Die Agenda lässt sich auf drei Kernthemen herunterbrechen:

1. Ertragsschwäche

Die jüngste Gewinnwarnung legte es schonungslos offen: Die Credit Suisse kann im aktuellen Geschäftsumfeld kein Geld verdienen. Sie wird fürs zweite Quartal deshalb einen Verlust ausweisen. Das wäre kaum der Fall, wenn die Bank das sogenannte Prime-Brokerage-Geschäft nicht heruntergefahren hätte und schon früher aus dem Fixed-Income und Commodities-Geschäft ausgestiegen wäre. Die Abwicklung des Hedge-Fonds-Geschäfts forcierte der alte Chairman, weil die Bank nach dem Milliardenflop mit Archegos unter Druck stand, etwas tun zu müssen.

Doch jetzt fehlen die Einnahmen daraus. Gerade in volatilen Märkten wie jetzt könnte die CS schöne Gewinne erzielen. Die Geschäfte macht nun BNP Paribas, welche die meisten Kunden übernehmen konnte. Die Erträge aus dem Prime-Geschäft würden die Flaute in den anderen Bereichen kompensieren, etwa im klassischen Kapitalmarktgeschäft, wo die CS traditionell stark ist.

Bank-intern gibt es eine starke Fraktion, die überzeugt ist, dass es ein Fehler war, die Investmentbank zu verkleinern und stärker in den Dienst der Vermögensverwaltung zu stellen, wie dies vor über zehn Jahren die UBS vormachte.

Warum? Im Unterschied zur UBS stimmen bei der CS die Proportionen zwischen Wealth Management und Investmentbank für einen solchen Setup nicht. Die Vermögensverwaltung ist zu klein, um die nach wie vor sehr grosse Investmentbank mit genügend Volumen zu versorgen. Die CS kommt auf verwaltete Vermögen von 1550 Milliarden Franken per Ende erstes Quartal 2022. Bei der UBS sind es 4380 Milliarden Dollar.

Um ihre Ertragsschwäche zu beheben, bräuchte die Bank jetzt einen mutigen Schritt, einen “Bold Move”, wie manche sagen. Eine Fusion etwa mit einem Partner wie die Deutsche Bank, die im Investmentbanking stark ist, wo die CS Schwächen hat. Etwa im Fixed-Income- oder Commodities-Geschäft. Im Asset Management und Private-Banking wäre eine Kombination CS/DB ein Powerhouse. Zudem handeln beide unter Buchwert – was aus börsenarithmetischer Sicht ein Vorteil wäre. Im Unterschied etwa zu einem Schulterschluss mit Julius Bär, die deutlich über Buchwert handelt.

Eine Light-Version eines mutigen Schritts wäre ein Zurechtstutzen der Investmentbank auf die Grösse der Vermögensverwaltung. Oder aber ein starker Ausbau der Vermögensverwaltung. Die Bank hat im Februar angekündigt, bis 2023 500 zusätzliche Kundenberater einzustellen. Das hilft, geht aber viel zu lange. Die CS braucht jetzt eine Lösung für ihre Ertragsprobleme.

Franceso De Ferrari, der das Wealth Management dieses Jahr übernahm, ist gefordert. Die Ungeduld ist gross. Für manche gestandene CS-Banker müsste der neue Chef mehr tun und einen höheren Speed entwickeln. Ein Grund für die fehlende Geschwindigkeit könnte die komplexe und schwerfällige Matrix-Managementstruktur sein, welche die Bank nach dem Abgang von Tidjane Thiam wieder eingezogen hat.

2. Rechtsfälle

Vor ein paar Jahren noch haben Banken von einem Einzelereignis oder einem sogenannten “One-off” gesprochen, wenn sie eine Busse bezahlen mussten. Bei der CS – aber auch bei vielen anderen Banken – sind Rückstellungen für Rechtsfälle zu einem fixen Ausgabenposten geworden. Eine gute juristische Abteilung macht einen Unterschied aus. Dass die CS ihren Chefjuristen ausgewechselt hat, war überfällig.

Doch auch für Markus Diethelm, der von der UBS kommt, wird es nicht einfach. Die Fälle sind komplex und ziehen sich schon über Jahre hin. Es ist davon auszugehen, dass der neue Chefjurist der CS zügiger Altlasten abbauen wird als sein Vorgänger. Somit ist kurz- und mittelfristig weiterhin mit hohen Ausgaben zu rechnen. Diethelm hat erst letzte Woche angefangen, und Wunder sind auch von ihm nicht zu erwarten.

3. Cheffrage

Man kann es nicht beschönigen: Die Glaubwürdigkeit des Topmanagements der Credit Suisse ist durch die jüngsten Krisen schwer angeschlagen. Thomas Gottstein und Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann, der erst seit kurzem im Amt ist, wirken auf ihren Posten, als wären sie auf Abruf.

Die Aussenwirkung dieser Flops wird möglicherweise überschätzt, doch gravierender ist, dass Gottstein gegen Innen ein Problem hat. Den Kontakt zu den Leuten in der Bank hat er verloren. Axel Lehmann ist ebenfalls kaum spürbar an der Basis.

Es gibt kaum einen Managementbegriff, der abgenutzter ist, doch bei der CS wäre jetzt tatsächlich Leadership gefragt.

Was wird geschehen?

Welche Weichenstellungen wird der Verwaltungsrat in Bad Ragaz vornehmen? Soviel ist zu vernehmen: Grosse, einschneidende Massnahmen oder einen “Bold Move”, ein Zusammengehen mit einem Partner, wird es kaum geben. Auch wird es bei der Investmentbank keine weiteren grossen Abbauübungen geben, da solche auch immer mit grossen Verlusten verbunden sind, die sich die Bank derzeit nicht mehr leisten kann.

Es ist davon auszugehen, dass es zu Stellenstreichungen und Kostensenkungsmassnahmen in der IT-Abteilung und den zentralen Funktionen kommen wird. Einen breitflächigen Stellenabbau wird CS-Spitze am Dienstag wohl nicht verkünden.

Gemäss offiziellem Programm wird die Bank am Dienstag die Gelegenheit nutzen, den Investoren die neuen Mitglieder der Konzernleitung vorzustellen. Es sind dies Franceso De Ferrari, CEO Wealth Management, Joanne Hannaford, Chief Technology & Operations Officer, Rafael Lopez Lorenzo, Chief Compliance Officer, und David Wildermuth, Chief Risk Officer. Ob die CS-Spitze die gebeutelten Investoren damit zufriedenstellen kann, ist zu bezweifeln. Die Aktie ging gestern zu 5 Franken und 91 Rappen aus dem Markt. Grosse Bewegungen nach oben sind nicht zu erwarten.