Neue Zahlen enthüllen
Die Guthaben russischer Banken in der Schweiz haben sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Das zeigt die jüngste Statistik der Nationalbank.
21. Juni 2022 • Balz Bruppacher

Wie viel Geld aus Russland liegt in der Schweiz? Seit dem Angriff Moskaus auf die Ukraine wird über die Höhe der russischen Vermögen auf dem hiesigen Finanzplatz spekuliert. Mitte März sorgte Bankierpräsident Marcel Rohner mit der Schätzung für Aufsehen, wonach es um 150 bis 200 Milliarden Franken gehen dürfte.

Genauere Angaben werden vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erwartet. Denn die Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, mit der die Schweiz die Sanktionen der EU gegen Russland umsetzt, sieht in Artikel 21 eine Meldepflicht für bestehende russische Vermögen vor.

Die Frist für die Meldung solcher Einlagen von mehr als 100'000 Franken lief am vergangenen 3. Juni ab. Betroffen sind, unabhängig von den Vermögenswerten der sanktionierten Personen und Firmen, alle Einlagen von russischen Staatsangehörigen, in der Russischen Föderation ansässigen natürlichen Personen und in der Russischen Föderation niedergelassenen Banken, Unternehmen oder Organisationen. Mit der Meldepflicht, die alle zwölf Monate aktualisiert werden muss, wollen sich die hiesigen Behörden eine Übersicht über die Dimension von russischen Geldern in der Schweiz verschaffen.

Seco ist immer noch am Aufarbeiten

Das Seco ist nach Auskunft eines Sprechers zurzeit daran, die eingegangenen Meldungen aufzuarbeiten. Sobald dieser Prozess abgeschlossen sei, werde man über das Ergebnis informieren. Zwei Wochen nach Ablauf der Meldefrist war es aber noch nicht so weit. Wann und in welcher Form das Resultat veröffentlicht wird, konnte das Seco noch nicht sagen.

Harte Zahlen sind inzwischen der jährlichen Bankenstatistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu entnehmen, die am letzten Donnerstag veröffentlicht wurde. Sie betreffen das Jahr 2021 und beschränken sich auf die in den Bilanzen der Banken in der Schweiz figurierenden Verpflichtungen gegenüber Russland. Nicht erfasst sind also die Wertschriftendepots, über deren Inhaber es keine länderweise Aufschlüsselung gibt. Trotz diesen Einschränkungen fällt auf, dass die russischen Guthaben im Jahr vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine einen Sprung vom 6,3 Milliarden Franken auf den neuen Höchststand von 21,4 Milliarden Franken machten. Das entspricht einer Zunahme um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Starker Zuwachs bei russischen Banken in der Schweiz

Noch ausgeprägter ist diese Entwicklung bei den Guthaben der russischen Banken in der Schweiz. Sie stiegen innert Jahresfrist um 6,2 Milliarden Franken oder 140 Prozent auf 10,6 Milliarden Franken. Das ist mit Abstand der höchste je registrierte Wert. Die Einlagen russischer Kunden bei den Banken in der Schweiz blieben demgegenüber 2021 praktisch unverändert bei 10,5 Milliarden Franken.

Was die im Zug der Sanktionen eingefrorenen Vermögenswerte betrifft, datieren die letzten Angaben vom vergangenen 12. Mai. Damals beliefen sich die gesperrten Gelder auf 6,3 Milliarden Franken.

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