Kritik an Selbstregulierung
Die Finanzbranche will unter allen Umständen eine Greenwashing-Verordnung durch den Bund verhindern. Doch es gibt Bankenvertreter, die das nicht so sehen.
10. Juni 2022 • Beat Schmid

Ueli Maurer gab diese Woche den Tarif durch. Am runden Tisch mit Spitzenvertretern der Finanzbranche stellte der Finanzminister einmal mehr die Nachhaltigkeit ins Zentrum. Die Schweiz nehme international bereits jetzt eine Vorreiterrolle ein. Diese Position gelte es konsequent auszubauen.

Es müsse das Ziel sein, mit Sustainable Finance die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und wesentlich zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele beizutragen, schrieb Maurers Finanzdepartement nach dem Treffen.

Um den Führungsanspruch zu festigen, müsse die Transparenz auf Institutsebene und bei den Anlageprodukten erhöht werden. Es gelte, Greenwashing zu vermeiden sowie zu lernen, mit finanziellen Klima- und Biodiversitätsrisiken umzugehen.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Der Finanzminister kann sich für die Banken ins Zeug legen, er kann Industriepolitik betreiben und klare Ideen formulieren, wohin sich die Geldbranche seiner Meinung nach entwickeln soll. Dazu passt, dass der Bundesrat in zwei Wochen mit der “Point Zero”-Konferenz wichtige Akteure der Fintech-, Krypto- und Sustainability-Szene in die Schweiz holt. Die Veranstaltung soll weit über die Landesgrenzen hinausstrahlen.

“Selbstregulierung wäre gut, wenn sie denn funktionieren würde”

Der Bund als Enabler, als Promoter, als Wegbereiter der Banken. Doch in einem Bereich hält er sich zurück, und man kann sich fragen, warum. So überlässt er es der Finanzbranche, wie sie das Thema Greenwashing bekämpfen soll. Banken und Asset Manager sind aufgefordert, eigene Regeln zur Bekämpfung von Etikettenschwindel bei Finanzprodukten zu definieren. Das Zauberwort heisst Selbstregulierung.

Doch wenn man sich in der Branche umhört, erfährt man nicht viel Konkretes. Es ist von einer “prinzipienbasierten Regulierung” die Rede. Man spricht von internen Prozessen, von Ausbildung und Aufklärung und Transparenz. Griffige Kriterien sind bis jetzt nicht zu erkennen. Vielleicht kommen diese noch. Doch viel Zeit bleibt nicht.

Die Branche muss dem Bundesrat bis Mitte Jahr – also jetzt – seine Vorschläge zur Selbstregulierung unterbreiten. Schafft sie das nicht, oder gefallen dem Bund die Eingaben nicht, wird er selber aktiv werden und eigene Vorgaben machen. Das will die Bankiervereinigung unter allen Umständen verhindern.

Warum eigentlich? Wäre es nicht viel gescheiter, wenn der Bund die Regeln festschreiben würde? Adriano Lucatelli, Mitgründer und Chef von Descartes Finance, ist überzeugt, dass dies Vorteile bringen würde: “Selbstregulierung wäre gut, wenn sie denn funktionieren würde”, sagt er. “Da bin ich skeptisch.” Laut Lucatelli sind die “Eigeninteressen der Fondsmanager zu gross”.

“Ein ‘staatliches’ Schweizer Zertifikat wäre deshalb wünschenswert. Ausserdem wäre ein solches Zertifikat ein internationales Gütesiegel, dass uns global von der Konkurrenz abheben würde.” Das Zertifikat wäre das Äquivalent des Qualitätssiegels der Stadt Genf für Uhren, sagt der Unternehmer. “Für einmal ein positiver Swiss Finish.”

Er sagt, private Anlegerinnen und Anleger seien überfordert mit den verschiedenen Definitionen und Ausprägungen der Nachhaltigkeit. “Das Schweizer Zertifikat würde einen Standard setzen und für Glaubwürdigkeit sorgen”, so Lucatelli. Hinter vorgehaltener Hand teile etliche angefragte Banker und Asset Manager diese Meinung.