Heikler Entscheid
Trotz massiver Vorwürfe gegen Johnny Depp, hielt das französische Mode- und Duftlabel an ihrem Markenbotschafter fest. Viele Fans kauften Sauvage Eau de Toilette aus Solidarität ein.
3. Juni 2022 • Beat Schmid

Während des wochenlangen Rechtsstreits von Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard hielt das Luxushaus Dior am US-Schauspieler fest. Seit 2015 steht Depp bei der Pariser Luxusmarke unter Vertrag. Während der gesamten Prozessdauer waren Videos oder Fotos auf den Dior-Webseiten mit dem 58-Jährigen zu sehen. Ein 44-Sekunden-Werbespot, der ihn mit einer elektrischen Gitarre in der Wüste zeigt, wurde in den letzten acht Monaten 92 Millionen Mal angeklickt.

Dior liess die Kampagnen mit Depp einfach weiterlaufen, distanzierte sich nicht von ihm und kündigte den Vertrag nicht. Das Haus machte weiter, wie wenn nichts wäre. Dabei breiteten Medien intime Details über sexuelle Gewalt, Drogen- und Alkoholexzesse aus. Es waren nicht nur Boulevard-Blätter, die ausführlich über den Prozess berichteten. Die Feuilletons überschlugen sich mit Analysen über die Folgen auf die MeToo-Bewegung.

In den Social-Media-Kanälen waren die Meinungen gemacht. Es breitete sich eine riesige Solidaritätswelle mit dem Schauspieler aus, der seine Popularität seiner Rolle als Captain Jack Sparrow in "Fluch der Karibik" verdankt. Auf Instagram gibt es unter dem Hashtag #justiceforjohnnydepp über 400’000 Einträge. Auf Tiktok entstanden Dutzende von Solidaritäts-Konten mit zum Teil über 100’000 Followern.

Es hätte für Dior auch schiefgehen können

Offenbar zeigten viele Depp-Fans ihre Solidarität mit dem Kauf des Dior-Produkts Sauvage, für das der Hollywoodstar wirbt. In Onlineshops wie Sephora.com oder Ultra steht die Duftlinie auf Platz eins der Bestseller, wie das “Wall Street Journal” berichtet. Käufer und Käuferinnen gaben als Grund für ihren Kauf zum Teil den Verleumdungsprozess an, wie in den Bewertungsbeiträgen nachzulesen ist. "Das riecht fantastisch, und ich liebe Johnny Depp und werde ihn auch weiterhin unterstützen!", schrieb ein Fan.

Eine Sprecherin von Depp sagte, dass der Schauspieler unendlich dankbar sei, dass Dior ihn in dieser schwierigen Phase immer unterstützt habe. Johnny Depp nicht fallenzulassen, könnte sich für Dior gelohnt haben. Hätte er den Prozess verloren, hätte die Marke, die zu 100 Prozent dem Luxuskonzern LMVH gehört, nun möglicherweise ein Problem. Der Entscheid war heikel.

Nicht immer können Celebrities, Schauspieler und Sportler auf die Unterstützung ihrer Sponsoren zählen, wenn sie für negative Schlagzeilen sorgen. Dass sie aus Angst ums Image schnell fallengelassen werden, ist nicht ein neues Phänomen, wie man in Zeiten der Wokeness meinen könnte. Schon das britische Model Kate Moss musste nach einem Kokain-Skandal erleben, wie Chanel und Burberry die Zusammenarbeit sistierten. Das war im Jahr 2005. Es dauerte fast zwei Jahre, bis die Marken sich zum Teil wieder zurückmeldeten. Moss war übrigens eine Entlastungszeugin im Prozess Depp v. Heard. Die beiden waren in den 90ern vier Jahre lang ein Paar.