Gender Equality Tracker
Das Gleichstellungs-Finanzprodukt von der Migros Bank und der Frauenplattform elleXX performt nicht wie gewünscht. Jetzt wird das Unternehmen einer US-Schauspielerin aus dem Aktienkorb gekippt. Das zeigt das Problem der Anlagepolitik.
27. Mai 2022 • Beat Schmid

Ab sofort ist “The Honest Company” der US-Schauspielerin Jessica Alba nicht mehr Teil des "Migros Bank elleXX Gender Equality Basket". Wie ein Sprecher der Bank bestätigt, wurden die Titel des Onlineshops für Health- und Beauty-Produkte durch den europäischen Riesen L’Oréal ersetzt.

Das sogenannte Tracker-Produkt, das aus dem Aktienkorb aufbaut, kämpft mit Perfomance-Problemen. Es liegt gegenüber einem vergleichbaren ETF der UBS, dem Global Equality ETF, und dem SPI Gender Equality Index deutlich zurück. Nach einem kurzen Anstieg nach der Lancierung im November ging es talwärts: Heute liegt das Tracker-Zertifikat über 20 Prozent im Minus. ElleXX-Migründerin und Ex-SRF-Finanzjournalistin Patrizia Laeri, die beim Start des Gender-Produkts noch kräftig die Werbetrommel gerührt hatte, wollte sich nicht äussern und verwies an ihre Medienstelle beziehungsweise an die Migros Bank.

Im Aktienkorb befinden sich 30 Unternehmen, die zu gleichen Anteilen darin vertreten sind, also zu je 3,33 Prozent. Es sind ausschliesslich europäische und nordamerikanische Unternehmen, schweizerische befinden sich nicht darunter. Zu den prominenteren Namen zählen Adobe, Accenture, Caixabank, Vodaphone oder Allianz.

Es seien Firmen, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen, heisst es im Factsheet des Produkts. Alle Unternehmen seien in Zusammenarbeit mit der Finanzplattform elleXX “ausgewählt und geprüft” worden. Die Firmen verfügen laut Factsheet über “vorbildliche Strukturen im Bereich Gender Equality und leben Gleichstellung im Arbeitsalltag”. Der Selektionsprozess stütze sich auf “quantitative und qualitative Kriterien hinsichtlich der Güte der unternehmensspezifischen Strukturen im Bereich Gender Equality”, heisst es im Termsheet der ZKB, die als Emittentin des Produkts fungiert.

Einige Firmen verloren 60 Prozent und mehr

Einige der ausgewählten Unternehmen haben in den letzten Monaten deutliche Kursverluste erlitten. Der schwedische Hafergetränkespezialist Oatly hat in den letzten sechs Monaten fast zwei Drittel seines Börsenwerts verloren. Ein Verlust von knapp 60 Prozent weist die Videoplattform Vimeo auf. Ebenfalls in diesem Umfang verlor Hubspot, eine Onlinemarketingplattform. Und bei The Honest Company von Jessica Alba sind es 64 Prozent. L’Oréal, die neu aufgenommen wurde, kommt auf ein Minus von 23,8 Prozent.

Weniger schlecht erging es Anlegerinnen, die auf den SPI Gender Equality Return Index gesetzt haben. Der Index, der von der SIX herausgegeben wird, misst die Entwicklung von Schweizer Aktien anhand ihrer "Exposition gegenüber der Gleichstellung der Geschlechter" in der Schweiz, heisst es da. Die sogenannten Exposure-Scores werden von der Schweizer Beratungsfirma Inrate zur Verfügung gestellt. Die Unternehmen müssen zwischen 20 und 80 Prozent Frauen im Verwaltungsrat und zwischen 15 und 85 Prozent Frauen in der Geschäftsleitung aufweisen.

Erwartungen nicht erfüllt

Die Migros Bank will sich zu Fragen, die über die Zusammensetzung des Produkts hinausgehen, nicht äussern. Wie man aus dem Innern der Bank hört, erhoffte man sich mehr durch die Zusammenarbeit mit elleXX. Die Idee war, dass die Migros Bank im Rahmen von Beratungsgesprächen auch andere Produkte hätte anbieten können. Doch die Hoffnung, neue Kundinnen generieren zu können, haben sich bisher nicht erfüllt.

Kritische Medienstimmen

Das Produkt hat in den letzten Monaten für Schlagzeilen gesorgt. Die Hauptgründe waren neben der unterdurchschnittlichen Performance, die hohen Gebühren und die Anlagestrategie des Trackers.

SonntagsZeitung: "Das Problem des Zertifikats ist grundsätzlicher Art. Auf der Website wird es unter 'Entdecke die ElleXX Kollektion' mit dem Stempel 'ElleXX approved' als Einsteigerprodukt empfohlen: 'Du möchtest investieren? Bist du auf der Suche nach einem ersten Baustein für dein neues Anlageprojekt?' Und: Es sei 'der erste Baustein einer auf die Zukunft ausgerichteten Anlagestrategie'. Doch dafür ist es nicht geeignet, wie Finanzfachleute übereinstimmend erklären. Deren Rat an Einsteigerinnen ist klar: Das Risiko auf viele Titel verteilen und auf tiefe Gebühren achten. Das geht nur mit ETF und Indexfonds. 'Aktiv gemanagte Fonds und Produkte, die sich auf ein bestimmtes Thema konzentrieren, produzieren höhere Kosten und bedeuten mehr Risiko für die Anleger. Daran verdienen nur die Anbieter', sagt der Finanzexperte Erwin W. Heri, Professor für Finanztheorie und Gründer von Fintool, einer videobasierten Internetplattform für Finanzausbildung."

HandelsZeitung: "Das Angebot von ElleXX zählt als strukturiertes Produkt zu den hochpreisigen im Vergleich mit anderen, welche die Gleichstellung von Mann und Frau zum Ziel haben."

K-Geld: "Das Tracker-Zertifikat kostet bei einer Investition von 10'000 Franken und einer Haltedauer von fünf Jahren satte 1,36 Prozent pro Jahr. Rund ein Drittel davon geht an Ellexx. Zum Vergleich: Beim UBS ETF Global Gender Equality, der in ähnliche Firmen investiert, beträgt die Verwaltungsgebühr nur 0,3 Prozent pro Jahr. Fazit: Hinter schönen Worten können sich teure Finanzprodukte verbergen."

Neue Zürcher Zeitung: "Das aktive Management durch die Wirtschaftsjournalistinnen und die Migros Bank hat einen stolzen Preis: Die jährliche Verwaltungsgebühr des elleXX-Zertifikats beträgt 1,1 Prozent des investierten Vermögens, 0,4 Prozent fliessen an die Plattform, weitere 0,4 Prozent an die Migros Bank und nochmals 0,3 Prozent an die ZKB. Aus journalistischer Sicht stellen sich mehrere Fragen: Kann ein Portal, das selbst ein aktiv gemanagtes Produkt vertreibt, seine Leserinnen in Anlegerfragen immer noch glaubwürdig informieren? Denn solche aktiv gemanagten Produkte sind teurer und selten rentabler als kostengünstige ETF."