Stuart Kirk
Der inzwischen suspendierte HSBC-Kadermann findet, dass die finanziellen Risiken des Klimawandels völlig überschätzt werden. Damit trifft er einen Nerv.
25. Mai 2022 • Beat Schmid

Es war sein grosser Auftritt – und in der Rolle als Leiter Responsible Investment bei HSBC Asset Management auch sein letzter: Stuart Kirk, streitbarer Redner, der an einer Konferenz letzte Woche sagte, dass der Klimawandel kein so grosses finanzielles Risiko darstelle, wie Behörden und Regulatoren behaupten würden. In der Tat würden sie die finanziellen Risiken des Klimawandels überbewerten und “einander mit noch schrecklicheren Prognosen übertrumpfen”.

In der Regel sind Vorträge auf Finanzkonferenzen uninspiriert und langweilig. Der Inhalt meist bis aufs Komma voraussagbar. (Wer nicht überzeugt ist, kann sich die Live-Übertagungen der Diskussionsrunden am WEF anschauen.) Stuart Kirk, der in seinem früheren Leben die Lex Kolumne der “Financial Times” leitete, schaffte es, mit seiner 20-Minuten-Rede eine weltweite Debatte auszulösen.

Diese wurde erst recht in Gang gesetzt, als ihn sein Arbeitgeber wegen seinen “falschen Aussagen” per sofort von seinem Amt suspendierte. Dann gab es auf Social Media kein Halten mehr – da gab es die einen, die sagten, dass hier jemand bestraft werde, weil er die Wahrheit sage. Dann gab es die anderen, die ihn in die Schmuddelecke der Klimaskeptiker stellten.

Beides ist falsch und zeigt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung kaum unterschieden wird zwischen dem Klimawandel und den finanziellen Risiken des Klimawandels. Kirk sagte in seiner Rede sogar, dass er die Modelle des Klimawandels gar nicht anzweifle. Nur ist er der festen Überzeugung, dass die finanziellen Risiken des Klimawandels überschätzt werden. Viele Kirk-Kritiker scheinen diesen Unterschied nicht wahrgenommen zu haben. Möglicherweise haben sie die Rede auch gar nicht angeschaut.

Den Klimawandel und die finanziellen Risiken getrennt zu betrachten, hat einiges für sich

Den Klimawandel und die finanziellen Risiken getrennt zu betrachten, hat einiges für sich. Wir wissen, dass der Ausstoss von mehr Treibhausgasen die globale Durchschnittstemperatur erhöht. Zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen könnten desaströse Folgen haben. Wenn wir die Emissionen nicht zurückfahren, besteht die Gefahr, dass die Welt in einen Zustand zurückfällt, den es seit Millionen von Jahren nicht mehr gegeben hat.

Was wir nicht genau wissen, ist, wie sich dieser Wandel vollziehen wird und welche Massnahmen letztlich ergriffen werden müssten, um ihn wirkungsvoll zu bekämpfen. Trotzdem verlangen Aufsichtsbehörden von Unternehmen, einschliesslich Geschäftsbanken, dass sie ihre Exposition gegenüber diesen potenziellen Risiken quantifizieren und offenlegen. Hierzu tritt in der Schweiz 2024 ein relativ scharfes neues Gesetz in Kraft, das genau das verlangt.

Kirk ist der Meinung, dass solche Risiken zu weit entfernt sind, um Banken wie die HSBC zu gefährden. Die durchschnittliche Laufzeit eines Kredits bei seiner Bank betrage sechs Jahre. Was also im siebten Jahr geschehe, spiele aus Risikooptik keine Rolle. Er sagte, dass seine Bank viel grössere unmittelbare Risiken habe, wie etwa der "Angriff eines Aktionärs, der HSBC aufspalten möchte". "Wir werden von der Kryptowirtschaft angegriffen. Wir haben Regulierungsbehörden in den USA, die versuchen, uns zu stoppen, wir haben ein Problem mit China. Wir haben eine drohende Immobilienkrise, wir haben steigende Zinssätze, wir haben eine kommende Inflation."

Dem Wandel mit mehr Optimismus begegnen

Auch gesamtwirtschaftlich würden die Folgen überschätzt. Einige Klimaforscher gingen davon aus, dass bis ins Jahr 2100 bis zu 5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts verloren gehen könnten, wenn sich die Temperaturen erheblich erwärmen. "Was sie nicht sagen, ist, dass die Wirtschaft bis dann stark wachsen wird. Die Welt wird zwischen 500 und 1000 Prozent reicher sein. Wen kümmert es, wenn sie im 2100 davon 5 Prozent abziehen?” Man werde es gar nicht merken.

Das Gleiche gelte für die Aktienmärkte, sagte Kirk und zeigte den Verlauf der Renditen des Aktienindex S&P 500 von 1930 bis 2020. "Es geht aufwärts und aufwärts und aufwärts, und es wird weiter mit 6,5 Prozent real steigen, solange es Toastbrot gibt", sagte er. Der Klimawandel werde daran nichts ändern. "Der Mensch ist spektakulär gut darin, mit Veränderungen umzugehen."

Als Beispiel nannte er den phänomenalen Erfolg von Tesla. Es sei toll, dass es ein Autounternehmen gebe, dass auf eine Börsenkapitalisierung von über 1000 Milliarden Dollar komme (aktuell liegt die Bewertung allerdings deutlich darunter). Niemand habe diese Entwicklung vor fünf Jahren vorausgesagt, seine Ex-Kollegen bei der Financial Times nicht – und auch er selbst nicht. Er forderte, eine positivere Entstellung zu den Veränderungen zu entwickeln.

Angreifbar machte sich Stuart Kirk mit einer Aussage zum Klimawandel: "Wen kümmert es, wenn Miami in 100 Jahren sechs Meter unter Wasser steht?" fragte Kirk. "Amsterdam steht schon seit Ewigkeiten sechs Meter unter Wasser, und das ist ein wirklich schöner Ort. Wir werden damit zurechtkommen." Das mag vielleicht auf Miami zutreffen, aber für viele Küstenregionen in ärmeren Staaten wird dies nicht der Fall sein. Für die Bevölkerung dieser gefährdeten Regionen müssen solche Aussagen eines privilegierten, in Cambridge ausgebildeten Briten zurecht völlig abgehoben vorkommen.

Hier der Youtube-Link zur Rede von Stuart Kirk.