Heikle Partnerschaft
Das Finanz-Startup Inyova inszeniert medienwirksam einen Angriff auf BMW. Dabei arbeitet es mit einer Depotbank zusammen, die vom chinesischen Autokonzern Geely kontrolliert wird.
5. August 2022 • Beat Schmid

In der Woche vom 1. bis 7. August publiziert Tippinpoint eine Serie von Beiträgen, die auf besonders grosses Interesse gestossen sind. Der vorliegende Artikel erschien ursprünglich am 23. Mai 2022.

Das Zürcher Fintech Inyova startete eine erfolgreiche Medienkampagne gegen den deutschen Automobilkonzern BMW. Fast alle grossen deutschsprachigen Medien berichteten über das Vorhaben des kleinen Finanzunternehmens aus Zürich, das es mit dem Goliath aus München aufnimmt. “BMW muss jetzt die Weichen für die Zukunft stellen, um nicht zum Blackberry der Automobilindustrie zu werden”, sagte Inyova-Gründer Tillmann Lang im Vorfeld der BMW-Aktionärsversammlung.

Ergebnis der Kampagne war dann allerdings weniger erfolgreich: Inyovas Sprengkandidatin, eine Professorin für Elektromobilität der US-Eliteuni Berkeley, hatte keine Chance gegen den offiziellen Kandidaten, der 99,4 Prozent der Stimmen erhielt. Verwunderlich ist das nicht, da Inyova Kundenvermögen von 170 Millionen Franken verwaltet – und somit nur ein paar wenige BMW-Aktien kontrollieren dürfte. Es schaffte es nicht, andere Aktionäre für die Kampagne zu gewinnen.

“Wir wollen das Blackrock der grünen Anlagen werden”

Die dünne Assetsbasis hält das Unternehmen nicht davon ab, sich enorm ehrgeizige Ziele zu setzen. “Wir wollen das Blackrock der grünen Anlagen werden”, sagte Lang in einem Interview mit Watson. Auf der Firmenwebsite schreibt Lang, er habe das Unternehmen aufgebaut, damit “unser Geld nicht mehr Klimawandel und Waffenindustrie fördert, sondern saubere Energien und Gleichberechtigung”. Bei Inyova würden die Kunden “in eine bessere Welt investieren”, heisst es.

Bei seinem Kampf gegen BMW thematisierte Lang mit keinem Wort, dass seine Firma eng mit der Saxo Bank zusammenarbeitet, die vom chinesischen Autokonzern Geely kontrolliert wird. Seit 2018 besitzen die Chinesen 52 Prozent an der Depotbank. Saxo Bank hat ihren Hauptsitz in Kopenhagen. Der Schweizer Ableger wird zu 100 Prozent von der Konzernmutter kontrolliert.

Li Shufu hält 10 Prozent an Mercedes-Benz

Hinter Geely steht der Unternehmer Li Shufu, einer der reichsten Männer Chinas. Aus dem Nichts baute er in den vergangenen 35 Jahren einen der erfolgreichsten Auto- und Motorradkonzerne auf. Vor 12 Jahren expandierte Li Shufu nach Europa und übernahm Volvo Cars, die er letzten Herbst an die Börse brachte. Heute besitzt Geely noch 83 Prozent an dem schwedischen Hersteller. Der Unternehmer, der aus einfachen Verhältnissen stammt, kaufte auch die Sportwagenmarke Lotus auf. Zudem betreibt Geely mit Volvo das Elektro-Joint-Venture Polestar. Li Shufu besitzt über seine private Finanzgesellschaft knapp 10 Prozent an Mercedes-Benz.

Die Geschäfte laufen gut. Dieses Jahr will Geely den Absatz um 25 Prozent auf 1,65 Millionen Autos steigen. Das Unternehmen bedient im Unterschied zu den meisten westlichen Autobauern weiterhin den russischen Markt. Gemäss den Absatzzahlen für das erste Quartal schrumpfte in Russland die Zahl der verkauften Neuwagen insgesamt um 27 Prozent. Zu den Herstellern, die ihre Verkäufe steigern konnten, gehören etliche chinesische Marken, darunter auch Geely. Laut Branchenbeobachtern dürften chinesische Autobauer die grossen Profiteure westlicher Sanktionen sein.

Ein Joint-Venture in Belarus

Geely produziert selbst keine Autos in Russland. Das Unternehmen, das an der Börse in Hongkong gelistet ist, betreibt aber das Joint-Venture Belgee mit dem staatlichen belarussischen Autobauer BelAZ. Die ersten Automobile liefen 2018 von den Bändern des neugebauten Werks. Wie die schwedische Zeitung "Göteborgs-Posten" schreibt, sei die Fabrik für Diktator Alexander Lukaschenko "ein wahr gewordener Traum".

Gemäss der Zeitung ist der Betrieb seit letztem Sommer mit schweren EU-Sanktionen belegt. Der Grund sei, dass Geelys Joint-Venture-Partner Arbeiter eingesperrt und bedroht habe. Wahrscheinlich seien genau das die Befürchtungen gewesen, als die chinesischen Eigentümer Volvo übernahmen, zitierte "Göteborgs-Posten" den Wirtschaftsethiker Tomas Brytting. Nachdem auch Belarus in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine mit Sanktionen belegt wurde, soll die Produktion ruhen.

Neugelder aus China

Die Geschäfte von Saxo Bank sind davon nicht betroffen. Seit die Bank von Geely kontrolliert wird, geht es steil aufwärts. Die Assets nahmen in den letzten Jahren auf 80 Milliarden Dollar zu. Viel Neugeld stammt aus dem chinesischen Raum, wo die Bank ebenfalls vor Ort ist. Die Bank wurde 1992 in Dänemark gegründet und kam 2008 mit einem Ableger in die Schweiz.

Ein Geschäftspfeiler von Saxo ist es, Dienstleistungen für Fintechs anzubieten. Da Inyova keine Banklizenz hat, braucht sie für die Abwicklung der Geschäfte eine Partnerbank. Saxo Schweiz übernimmt die Verwahrung der Investition und bietet den Zugang zu den Aktienmärkten als Depotbank. Wichtige Kundendaten liegen bei der Saxo Bank.

Inyova behauptet von sich, dass es die Welt verbessern möchte. Wie passt zu diesem Anspruch die Zusammenarbeit mit einer Partnerbank, die von einem chinesischen Autokonzern kontrolliert wird? Wieso hat Inyova-Gründer Tillmann Lang die Beteiligungsverhältnisse zwischen Geely und Saxo nicht transparent gemacht im Rahmen seiner BMW-Kampagne? Diese Fragen stellte Tippinpoint Tillmann Lang letzte Woche per E-Mail. Er liess sie unbeantwortet.

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