Governance
Unter den Aktionären ist erneut ein Streit ausgebrochen. Einmal mehr stehen Filmemacher Samir Jamal Aldin und der Erbe Ruedi Gerber im Zentrum.
29. April 2022 • Beat Schmid

Der gesamte Verwaltungsrat des Zürcher Kulturtempels Kosmos tritt nicht mehr zur Wiederwahl an. Vor zwei Jahren wählte eine knappe Mehrheit die ehemalige Migros-Kommunikationschefin Monica Glisenti sowie Barbara Ellenberger, Tina Candrian, Esther van Messel und Annelise Wiederkehr in den Verwaltungsrat.

Die fünf Frauen sollten zwei zerstrittene Lager um die beiden Kosmos-Initianten Bruno Deckert und Filmemacher Samir Jamal Aldin aussöhnen. Das gelang insofern, als etliche Aktionäre, die vor zwei Jahren gegen das Kosmos “geputscht” hatten, ihre Aktien verkaufen konnten, unter ihnen auch Bruno Deckert. Zum Einstandspreis, wie ein kontaktierter Aktionär betont.

Doch ausgerechnet jetzt, wo der Kulturbetrieb auf Post-Pandemie-Kurs umschalten könnte, kommt es erneut zum Knall. Wie aus Aktionärskreisen zu hören ist, war der Auslöser der Rücktritt einer Verwaltungsrätin. Eine Nachfolgekandidatur wurde offenbar von einer Gruppe von Aktionären torpediert. Stattdessen stellte diese Gruppe aus ihren eigenen Reihen Filmemacher Samir als Kandidaten auf. Gewichtiger Aktionär auf der Seite von Samir ist Ruedi Gerber, Sohn des früheren Topmanagers Fritz Gerber.

Verwaltungsrätinnen wurden desavouiert

Die amtierenden Verwaltungsrätinnen wurden durch diesen Schritt desavouiert. Wichtig in diesem Zusammenhang: Nach dem Eklat vor zwei Jahren sollte das oberste Führungsgremium aus unabhängigen Verwaltungsräten zusammengesetzt werden. Das ist durch die aktuelle Zusammensetzung gegeben. Mit der Wahl von Samir Jamal Aldin wäre das nicht mehr der Fall.

Das war mit den vier verbliebenen Frauen offenbar nicht zu machen. Präsidentin Monica Glisenti will sich auf Anfrage nicht zu den Hintergründen äussern. Sie bestätigt aber: “Wegen unterschiedlicher Vorstellungen über strategische, operationelle und personelle Fragen, die vor einer kleinen Gruppe von Aktionären aufgeworfen wurden, tritt der aktuelle Verwaltungsrat nicht mehr zur Wiederwahl an.”

Wie der “Tages-Anzeiger” (Artikel kostenpflichtig) im März schrieb, plagte das Kosmos zuletzt Geldsorgen. Monica Glisenti setzte sich für städtische Subventionen ein und organisierte Unterstützung bei Stiftungen. Mit dem Verein Friends of Kosmos sollte der Kreis der Spenderinnen und Spender vergrössert werden. Zudem hat Glisenti ihren ehemaligen Chef, Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger, zur Prüfung der Kosmos-Strategie ins Boot geholt. Sein Mandat dürfte mit dem Rücktritt ebenfalls zu Ende gehen.

Bereits vor dem jüngsten Knall kam es zu etlichen Abgängen. Erst im Oktober wurde Flavia Kleiner, bekannt als Gründerin der Operation Libero, als neue Kuratorin des Kulturprogramms geholt. Per Ende März verliess sie das Kulturhaus bereits wieder.

Aktionäre verzichteten auf Rückzahlung von Darlehen

Die Aktionäre stützten bisher den Kurs von Monica Glisenti. Unter den 42 Aktionärinnen und Aktionären sind auch Samirs Partnerin Stina Werenfels, Verleger Patrick Frey und der Immobilienunternehmer Steff Fischer. Fünf Aktionäre verzichteten zudem auf Darlehen im Umfang von 1,5 Millionen Franken.

Monica Glisenti sagte im März gegenüber dem Tagi, sie bedaure die vielen Abgänge. Zudem sei sie sich bewusst, dass das Kosmos ohne die Unterstützung von Kanton, SBB und Freunden sowie die Loyalität der Aktionäre die Pandemie nicht überlebt hätte. Damals war sie noch optimistisch: “Wenn die Auswirkungen der Pandemie abgeklungen sind, werden die Sanierungsmassnahmen und Strategien greifen, und dann wird das Kosmos schwarze Zahlen schreiben.”